[Review mal anders] „Alles Licht, das wir nicht sehen“ von Anthony Doerr

Kategorie: Review mal anders, Rezensionen, Up(to)date | 4 Nestgeflüster

Autorin: Anthony Doerr / 528 Seiten / Hardcover / Verlag: C.H. Beck / OT: All the Light we cannot see/ erhältlich bei: Bücher.de, mayersche.de

 

Der Plot…

Saint-Malo 1944: Marie-Laure, ein junges, blindes Mädchen, ist mit ihrem Vater, der am „Muséum National d’Histoire Naturelle“ arbeitet, aus dem besetzten Paris zu ihrem kauzigen Onkel in die Stadt am Meer geflohen. Einst hatte er ihr ein Modell der Pariser Nachbarschaft gebastelt, damit sie sich besser zurechtfinden kann. Nun ist in einem Modell Saint-Malos, der vielleicht kostbarste Schatz aus dem Museum versteckt, den auch die Nazis jagen.
Werner Hausner, ein schmächtiger Waisenjunge aus dem Ruhrgebiet, wird wegen seiner technischen Begabung gefördert, auf eine Napola geschickt und dann in eine Wehrmachtseinheit gesteckt, die mit Peilgeräten Feindsender aufspürt, über die sich der Widerstand organisiert. Während Marie-Laures Vater von den Deutschen verschleppt und verhört wird, dringt Werners Einheit nach Saint-Malo vor, auf der Suche nach dem Sender, über den Etienne, Marie-Laures Onkel, die Résistance mit Daten versorgt …

 

 

Licht, in Zeiten der Dunkelheit…

Dieser große, wunderschöne WW2-Roman verblüffte so viele Leser im Jahr 2014 und brachte dem Autor Anthony Doerr im Jahr 2015 den Pulitzer Preis ein. Doch während ich das Buch durchaus genoss (sofern man das über ein Buch mit derartigem Thema sagen kann), wurde es dem Hype nicht ganz gerecht. Dies bedeutet nicht, dass ich das Werk nicht liebe. Anthony Doerr gibt dieser Geschichte eine wunderschöne, lyrische Stimme und zeitgleich abrupt scharfe Sprache.  Er beeindruckte mich zutiefst mit akribischer Recherche, sowie unzähligen Passagen umfasst von lebendigen und scharfsinnigen Umschreibungen.

Die beiden Hauptfiguren von „Alles Licht, das wir nicht sehen“, das blinde Mädchen Marie-Laure aus Frankreich und der deutsche Waisenjunge Werner, haben faszinierende Persönlichkeiten. Sie bewegen sich auf gegensätzlichen Seiten des Krieges und nehmen den Leser über eine Zeitspanne von mehreren Jahren, auf ihre jeweilige Reise mit. Obgleich Werner sich von einem kleinen, verträumten Waisen mit großer Leidenschaft für Mechanik und Mathematik zu einem Nazi-Soldaten entwickelt, konnte ich ein gewisses Mitgefühl für seine Situation nicht ablegen. Er ist ein Junge, der erst mit Voranschreiten des Krieges das wahre Grauen entdeckt und wie sehr seine Talente von den Nazis missbraucht worden sind.

Marie-Laure dagegen ist trotz ihrer Blindheit mit einem ansteckenden Optimismus erfüllt. Die Art und Weise, wie ihre Passagen beschrieben werden, geben dem Leser wirklich das Gefühl, als Mensch mit einer Sehbehinderung zu leben. Und während der Terror des Krieges sie und ihre Lieben immer enger umkreist, entdeckt sie die Wunder der Welt und zeigt dem Leser Licht in der Dunkelheit.
Auch Marie-Laures Vater, der sich aufopferungsvoll um sie kümmert, und ihr exzentrischer Onkel erwärmten mein Herz…um es später mit Sorge zu füllen.

Doch während mir die Charakterzeichnungen unheimlich gut gefielen, wurde mir im Handlungsverlauf zu viel Tamtam veranstaltet. Sprachgewaltig ja, aber die Handlung zog sich mit der Zeit zu sehr in die Länge, ohne das wirklich etwas passierte. In diesem Fall hätte der Autor entweder mehr Taten sprechen lassen müssen, oder locker hundert Seiten streichen können. Das klingt nun sehr brutal, aber so empfand ich es zum letzten Drittel leider.

Das Ende hingegen konnte mich wieder mitziehen und ich schloss das Buch mit zitternden Händen.

 

Im Großen und Ganzen…?!

Obgleich ich das Preis gekrönte Werk nicht ganz so euphorisch feiere wie viele andere Leser, kann ich den Zauber nachvollziehen. Anthony Doerr besitzt eine ausdrucksstarke Sprache und verwendet wundervolle Prosa, die mir den Atem raubte. Der Autor gewährt dem Leser mit seinen Erzählungen einen aufwühlenden und üppig umschriebenen Einblick, in die Zeit des zweiten Weltkriegs. Auch die Charakterzeichnungen gefielen mir unheimlich gut. So erhält der Leser einen erstaunlich lebendigen Eindruck von der Welt der blinden Marie-Laure. „Alles Licht, das wir nicht sehen“ hat mich, trotz zu vieler ausschweifenden Passagen, berührt und beeindruckt.

 

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    4 Nestgeflüster zu “[Review mal anders] „Alles Licht, das wir nicht sehen“ von Anthony Doerr”

    1. Sabine Kettschau am 20. Februar 2017 um 14:28 Uhr

      Ach ja…ich erinnere mich gerne daran… kennen gelernt habe ich das Buch und seine Figuren durch Arndt Stroscher auf Facebook und habe mich mitziehen lassen, war auch -ehrlich- begeistert.

      Aber ich verstehe auch, wenn jemand da nicht ganz soooo mitgerissen wird. Damit stehst Du aber auch nicht alleine da. Und ich denke einfach mal, das ist völlig normal ;-)

      Liebe Grüße
      Bine

    2. Nanni am 18. Februar 2017 um 08:19 Uhr

      Hey,
      eine wirklich schöne Rezi. Das Buch subt auch schon viel zu lange bei mir.
      Liebe Grüße
      Nanni

    3. Shanty am 17. Februar 2017 um 08:33 Uhr

      Guten Morgen, liebe Sandy!
      Ha! Diese Rezi könnte so aus meinem Kopf stammen – Echt jetzt. Mir gefielen die Figuren ebenfalls sehr, da macht der Autor alles richtig. Aber! Die Handlung zog sich teilweise wirklich wie Kaugummi. Nichtsdestotrotz große Literatur und bei diesem Thema… Sehr passend beschrieben!

      Liebe Grüße
      Shanty

      • Sandy am 17. Februar 2017 um 13:19 Uhr

        Hallöchen Shanty!
        Genauso empfand ich es eben auch. Bin im nachhinein etwas erleichtert gewesen, als ich ganz ähnliche Stimme wie meine gesehen habe.
        Werner und Marie-Laure, und auch die Nebenfiguren fand ich unheimlich facettenreich.

        Viele Grüße
        Sandy

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