Rezension zu „Glücksdrachenzeit“ von Katrin Zipse

Kategorie: Rezensionen, Up(to)date | 4 Nestgeflüster

Glücksdrachenzeit


Glücksdrachenzeit /
Autorin: Katrin Zipse / Seiten: 273 / Gebundene Ausgabe / Verlag: Magellan

 

Die Autorin…

Katrin Zipse wurde 1964 in Stuttgart geboren, studierte Theaterwissenschaft und Germanistik und hat anschließend einige Jahre als Dramaturgin und Regieassistentin gearbeitet. Seit 1993 ist sie Redakteurin bei SWR2 und schreibt Hörspiele und Features. In Zusammenarbeit mit dem Moderator Malte Arkona, bekannt aus dem ‚Tigerentenclub‘, erschien dann 2009 ihr erstes Kinderbuch „Warum haben wir keinen König“. Im Juli 2014 wurde ihr erstes Jugendbuch mit dem Titel „Glücksdrachenzeit“ im Magellan Verlag veröffentlicht. Die Autorin lebt gemeinsam mit ihrer Familie in Baden-Baden.

 

 

Der Plot…

Für Nellie ist ihr älterer Bruder Kolja immer der große Halt. Er ist ihr ein und alles, während die Eltern seit Jahren mehr mit sich beschäftigt sind. Doch eines Nachts verabschiedet sich Kolja plötzlich um nach Frankreich abzuhauen. Die Eltern fühlen sich, jetzt da ihr Sohn volljährig ist, erst Recht nicht mehr verantwortlich. Ein unerträglicher Gedanke. So beschließt sie, Kolja auf eigene Faust zu suchen und wieder nach Hause zu bringen. Allein macht sie sich per Anhalter auf den Weg und trifft, nach unangenehmen Begegnungen, auf Miss Wedlock. Eine zauberhafte, aber sehr exzentrische alte Dame, die neben geheimnisvollen Plastiktüten auch noch eine traumatische Vergangenheit mit sich herumschleppt. Und dann ist da noch der hinreißende Tramper Elias. In Miss Wedlocks pfefferminzgrünem Oldtimer düsen sie nach Avignon, wo sie nicht nur auf einen störrischen Kolja, sondern auch auf eine ungeheuer böse Überraschung stoßen.

 

 

Meiner Ansicht nach…

Katrin Zipses gepunktetes Debüt „Glücksdrachenzeit“ erzählt die bemerkenswerte Geschichte der fünfzehnjährigen Nellie, die sich nicht nur auf einen Roadtrip begibt, um ihren älteren Bruder nach Hause zu holen. Es ist die Geschichte eines Mädchens, das vergangenen Momenten nachhängt und dabei fast das Hier und Jetzt übersieht.

Das Erstlingswerk von Katrin Zipse, welches mittlerweile mit dem Thaddäus-Toll-Preis ausgezeichnet wurde, ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Der Buchtitel liest sich wie ein Wortspiel und macht sofort hellhörig. Wort- und Gedankenspiele gibt es auch im Buch zu Hauf. Während das Cover zuckersüße Leichtigkeit bietet, spürt man bereits auf den ersten Seiten, dass etwas mit Nellie und ihrer Familie im argen liegt. Nellie und ihr Bruder Kolja waren hingegen immer ein eingespieltes Team. Zu ihm schaute sie auch dann noch auf, als er anfing richtigen Mist zu verzapfen. Doch eines Nachts macht er sich aus dem Staub, will die große weite Welt erobern. Sie nimmt die Neuigkeiten nicht gut auf und macht sich kurz darauf mit ihrem Hund auf den Weg, um Kolja zur Vernunft zu bringen.

Die Protagonistin ist sehr reif und selbstständig für ihr Alter, denn großen Rückhalt hat sie von der Familie in den letzten Jahren nicht erwarten können. Man möchte als Leser selbst gerne die Rolle der großen Schwester einnehmen. Ihr eigener Bruder ist nicht für sie da und doch klammert sich Nellie verzweifelt an ihn. Ihn sieht Nellie als ihre Konstante, ihren Halt, wenn es der Mutter mal wieder schlechter geht. GLÜCKSDRACHENZEIT birgt traurige Familiengeheimnisse für die Protagonistin, aber auch für die schrullige Miss Wedlock und Elias, denen Nellie auf ihrer Suche nach Kolja begegnet.  Doch die Autorin posaunt die Geheimnisse nicht freimütig raus. Es gibt Erlebnisse und Erinnerungen, die schmerzhaft sind und daher behutsam aufgegriffen werden müssen. Die Geschichte gleicht daher einem kleinen Erzählpuzzle, welches Stück für Stück zusammengesetzt werden muss um daraus ein verständliches Bild zu machen.

Doch zwischen Geheimnissen und einer großen abenteuerlichen Suche, keimen auch zarte Gefühle auf. Dafür sorgt Elias in Gestalt eines Trampers. Er bringt Nellie dazu, auch mal an sich zu denken. Bei ihm pocht ihr Herz, welches sich zuvor nie viel aus Jungs gemacht hat, intensiver.

Katrin Zipse gibt dem Leser mit ihrem Buch Rätsel zum lösen auf. Der Erzählstil ist ungewöhnlich und erinnerte mich ein ganz kleines bisschen an Antonia Michaelis‘ Art, aufwühlende Geschichten zu erzählen. Katrin Zipses Debüt bietet unerwartet spannende Momente und ein Ende, welches der Protagonistin die Gelegenheit gibt, einen freimütigen Blick vor sich zu werfen.

 

Tacheles…

Von außen bietet GLÜCKSDRACHENZEIT pure Freude und Fröhlichkeit. Zwischen den Buchdeckeln steckt ein Roadtrip mit vielen Stolperfallen, schmerzhaften Offenbarungen und längst verdrängten Gefühlen für die Protagonistin und ihre Weggefährten. Die Autorin bietet einen Mix aus den sogenannten Dinge-die-das-Leben-schreibt Momenten und einem etwas realitätsfernen, aber zugleich wunderschönen Erzählstil. Letzteres lässt das Jugendbuch Debüt von Katrin Zipse aus der Masse hervorstechen. Ein wunderbar anderes Buch mit sehr viel Tiefe.

 

Erhalten vom: Magellan Verlag

 

Mayersche | Thalia

 

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    4 Nestgeflüster zu “Rezension zu „Glücksdrachenzeit“ von Katrin Zipse”

    1. Chris am 7. November 2014 um 09:01 Uhr

      Huhu liebe Sandy!
      Das Buch ist mir durch sein Cover schon auf der Messe aufgefallen und deine Rezi macht mich nun noch neugieriger :-) Roadtrip mit Stolperfallen und Tiefgang hört sich perfekt für mich an!
      Danke und liebste Grüße.
      Chris

      • Sandy am 8. November 2014 um 15:12 Uhr

        Gerne. Würde mich auf jeden Fall freuen, deine Meinung zum Buch zu hören.

    2. Vanessa am 7. November 2014 um 08:58 Uhr

      Das Cover sieht wirklich nach Leichtigkeit.
      Deine REzension macht auf jeden Fall neugierig denn ich möchte jetzt wissen ob Nellie es schafft ihren Bruder anch Hause zu holen und was in ihrer Familie so alles schiefgelaufen ist.
      Eine sehr schöne Rezension.

      Liebe Grüße,
      Vanessa

      • Sandy am 8. November 2014 um 15:11 Uhr

        Danke schön, Vanessa!
        Ich kann dir das Buch wirklich ans Herz legen.

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