[Review mal anders] „The Hate U Give“ von Angie Thomas

Kategorie: Up(to)date | 2 Nestgeflüster

 

Autorin: Angie Thomas / Umfang: 464 Seiten / Format: Hardcover / US-Verlag: Balzer + Bray / erhältlich bei: Bücher.de, mayersche.de

 

Der Plot…

Die 16-jährige Starr lebt in zwei Welten: in Garden Heights, das Ghetto in dem sie wohnt, und in der Privatschule Williamson, an der sie eine der wenigen Schwarzen Schüler ist. Als Starrs bester Freund Khalil vor ihren Augen von einem Polizisten erschossen wird, verändert sich ihr Leben schlagartig. Khalil war unbewaffnet. Diese Tatsache sorgt für Entrüstung. Starr rückt gegen ihren Willen ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Bald wird landesweit über seinen Tod berichtet; viele stempeln Khalil als Gang-Mitglied und Drogendealer ab, andere gehen in seinem Namen auf die Straße. Die Polizei und ein Drogenboss setzen Starr und ihre Familie unter Druck. Was geschah an jenem Abend wirklich? Die Einzige, die das beantworten kann, ist Starr. Doch ihre Antwort würde nicht nur ihr Leben in Gefahr bringen…

 

Wie aus einem Resumé, sich in Rage schreiben wurde…

Hypes um Bücher ziehen auch mich manches Mal magisch an, machen mich aber aus skeptisch. Weshalb ist das so?

Hier ist die Sache, die ich vor Jahren bei Jugendbüchern gemerkt habe, die „wichtige“ Fragen anpacken. Und ich bin damit ganz sicher nicht alleine. Während ich der Bemühungen nur applaudieren kann, mehr Jugendbücher zu schaffen, die sehr empfindliche und vielfältige Themen behandeln, wird nicht selten gerade dieser Aspekt durch oberflächliches Liebesgesäusel kaputt gemacht. Warum?

Auch Teenager erleben Rassismus, Geisteskrankheit, Missbrauch, Mobbing, Vergewaltigung, Sexismus, Homophobie, Körperprobleme, etc. Sei es im eigenen Umfeld, oder bei Freunden. Warum wird also in Geschichten mit diesen Themen um den heißen Brei herumgeredet? Warum können wir es nicht einfach so sagen wie es ist? Weshalb muss dem Leser unbedingt das Gefühl vermittelt werden, das alles in Ordnung sein wird, solange die Protagonisten eine süße Romanze haben? So ist das Leben nicht.

Ich bin der Meinung, dass in Jugendbüchern Tacheles gesprochen werden sollte. Ein Teenager hält sowas aus. Ganz ohne Zuckerwatte und rosa Brille auf der Nase. In your Face! Diese Verantwortung hat ein Autor, wenn er/sie sich auf sensible Themen einlässt. Warum drückt man sich also davor?

THE HATE U GIVE ist der Grund, warum ich Ausnahmen mache. Und das sei schon mal gesagt; dieses Debüt ist jedes Wort seines Hypes wert. Angie Thomas hält in THUG nichts zurück. Und so stirbt Starrs bester Freund Khalil in ihrem Beisein, bereits auf den ersten Seiten. Viele von uns haben davon gehört, wie eine Welle der Gewalt von Seiten der Polizei gegen Schwarze aufwallt. Die Debütantin redet nichts schön, sie tritt der Komplexität und Schwierigkeit der non-fiction Thematik Black Lives Matter nicht nur entgegen, sondern umschließt sie offen. Angie Thomas untersucht gründlich jeden Winkel der Gewalt, des Rassismus und der Vorurteile, die derzeit weltweit stattfinden.

So wird der Leser Zeuge sehr unschöner, rassistischer Anschuldigungen, brutalen Aufständen und Drohungen. Ich wurde Teil des beispiellosen Alltags der Protagonistin Starr.

 

“Pac said Thug Life stood for ‚The Hate U Give Little Infants Fucks Everybody‘.”

 

Dieser Erstling wurde inspiriert aus eigenen Erfahrungen und hautnahen Beobachtungen. Es kommt nur noch selten vor, dass eine Autorin mich mit ihren Worten über die gesamte Buchlänge so derart fesseln kann. Thomas schreibt wie ein Orkan und hat mich im Nu abgeholt. Mit weit über 400 Seiten – die deutsche Übersetzung wird die fünfhundert knacken – ist dies keine kurze Geschichte. Aber es fühlte sich nie nach zu viel an. Der Erzählstil ist dicht, jede Passage sitzt.

Vielleicht habe ich nicht viele Tränen vergossen, aber es war dennoch äußerst emotional. Nicht selten haben mich die Handlungen und Worte von Figuren, beim lesen so wütend und hilflos werden lassen.

Darüber hinaus schenkt uns Angie Thomas eine wahnsinnig gute Zeichnung der Hauptfigur. Starr Carters Stimme ist lebendig und sie war alles, was ich mir von ihr erhofft habe als Hauptcharakter. Sie ist klug, frech, mitleidsvoll, tapfer & lustig. Aber Starr hat verständlicherweise auch viele Ängste und Unsicherheiten. Diese Geschichte schreibt über Starrs Lernen, ihre eigene Stimme zu finden und zu umarmen, wer sie ist und wo sie herkommt.

 

„Sometimes you can do everything right and things will still go wrong. The key is to never stop doing right.“

 

Die anderen Charaktere sind auch alle fantastisch geformt worden. Sie wirkten so real. Als ob Angie Thomas über ihre Familie schreibt. Die Dynamik der Carter-Familie war erstaunlich – so unterstützend, liebevoll und cool. Sie haben ihre eigene Sprache & ihre Codes. Und obwohl die Stimmung oft düster und rau ist, wird die Handlung immer wieder von kleinen familiären Frotzeleien aufgelockert. Ihre lebhaften Persönlichkeiten leuchten durch die Seiten und man kann nicht umhin, sich für jeden von ihnen zu begeistern.

 

„A brush is not a gun.“

THE HATE U GIVE hat eine starke Botschaft. Wir sind von Geburt davon geprägt worden, gewisse Ansichten zu haben. Jeder von uns hat das schon mal getan. Unbewusst etwas gesagt und damit vielleicht sogar einen Schaden angerichtet. Als Menschen beurteilen wir manchmal, ohne aber den Feinsinn für das Urteil zu haben. Angie Thomas erteilt mit ihrem Debüt eine Lektion. Diese Geschichte beschränkt sich jedoch nicht auf das Spektrum von Rasse und Rassismus, Vorurteilen und Ungerechtigkeit. Thomas richtet den Fokus auf so viele verschiedene wichtige Themen.

THUG ist daher ganz sicher nicht nur eine Eintagsfliege. Angie Thomas ist ein neues, sehr ernst zunehmendes Talent im Jugendbuch Himmel. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wie die Leser hierzulande reagieren werden und was Thomas als nächstes schreibt.

 

Deutsche Übersetzung erscheint am 24. Juli 2017 bei: cbt Verlag

 

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    2 Nestgeflüster zu “[Review mal anders] „The Hate U Give“ von Angie Thomas”

    1. Booksnstories am 25. April 2017 um 16:15 Uhr

      Ich habe THUG auch hier liegen, da es mir von vielen Seiten ans Herz gelegt wurde. Um aber nicht so voreingenommen zu sfin, habe ich Rezensionen bisher vermieden.

      Dann hat es mir bei dir aber doch in den Fingern gezuckt und unabhängig vom Buch selbst vielen Dank für diese Rezension, die nicht einfach nur eine Zusammenfassung des Buchinhaltes ist, sondern deine Meinung und auch deine Empfindungen beim Lesen gut rüberbringt.

      Ich bin jetzt jedenfalls noch gespannter auf das Buch und hoffe, dass es mich auch begeistern kann.

      Buchige Grüße
      Christina

      • Sandy am 26. April 2017 um 13:20 Uhr

        Sehr gerne, liebe Christina. Es freut mich, dass du bei meiner Review eine Ausnahme gemacht hast. Das weiß ich zu schätzen. Berichte mir dann doch mal, wie dir THUG gefallen hat. Würde mich interessieren.

        Viele Grüße
        Sandy

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