Meinen Besuch auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, plante ich – für meine Verhältnisse – recht kurzfristig ein. Für meinen einzige Messetag Freitag hatte ich mir schöne und interessante Termine gelegt. Ganz besonders freute ich mich auf das Interview mit Kinder- und Jugendbuchautorin Katrin Zipse. Die Bücher von Katrin mag ich nämlich unheimlich gern. Ihr Schreibstil und die von ihr aufgenommenen Themen, begeistern mich seit ihrem Debüt „Glücksdrachenzeit“. Bei Kaffee, Wasser und Schoki setzten wir uns im trubeligen Buchmesse-Chaos zusammen.
Sandy: Liebe Katrin, dich wiederzusehen freut mich riesig! Toll, dass du etwas früher für unser Gespräch nach Frankfurt gekommen bist.
Katrin: Ich freue mich auch sehr! Unheimlich schön, dass wir uns so spontan treffen können.
Sandy: Nun ist das nicht unser erstes Treffen. Ich schätze deine Bücher sehr und bewundere die Intensität mit der du schreibst. Intensiv ist sicher auch dein Alltag. Du arbeitest als Redakteurin beim SWR, bist Mutter und Autorin. Ein straffer Zeitplan. Wie händelst du das alles und findest du den Ausgleich?
Katrin: Mama bin ich nun nur noch in Teilzeit sozusagen. Die Kinder sind ausgezogen, bleiben aber natürlich noch mein Hauptbezugsfeld. Ansonsten bekommen ich den Alltag tatsächlich gestemmt, weil ich eine relativ strenge Arbeitsaufteilung habe. Das war schon immer so. Früher hatte ich meine Arbeit als Redakteurin und dann meinen „Vollzeitjob“ als Mutter. Jetzt habe ich die Redaktionsarbeit weiterhin niedriger getaktet – als freie Redakteurin kann ich mir meine Zeit gut einteilen – und die restliche Zeit widme ich dem Schreiben. Außerdem trenne ich die Arbeit für den SWR und die Autorentätigkeit sehr streng. Jetzt z.B. habe ich eine 6-wöchige Schreibpause, in der ich mich nur um den Folgeband von „Antonia“ kümmere. Es ist ganz arg wichtig, den Kopf frei zu haben. Das geht nicht so gut, wenn ich zeitgleich als Redakteurin arbeite.
Sandy: Deine ersten beiden Bücher „Glücksdrachenzeit“ und „Die Quersumme von Liebe“ habe ich SEHR gemocht. Es sind starke Geschichten, mit einer besonderen Stimmung und Thematik. Sie regen zum Nachdenken an und rücken den Wert bzw. die Schwierigkeiten in der Familie in den Fokus. Dein neues Buch „Antonia rettet die Welt“ gibt eine schon sehr differenzierte Richtung an. Natürlich geht es da auch wieder um die Familie, aber der Ton ist frech und frisch. Definitiv für jüngere Leser. Wann ist die Idee für die quirlige Toni entstanden?
Katrin: Interessant, denn das hat mich in dem Zusammenhang noch gar niemand gefragt. Es hat tatsächlich auch ein bisschen mit den ersten beiden Büchern zutun. Diese haben mich beim Schreiben sehr geschlaucht, weil die Thematik natürlich auch nicht gerade leicht ist. Danach hatte ich mit einem Buch begonnen, wo das Thema auch wieder sehr schwerfällig ist. Ich merkte bald, dass es mir zu viel ist. In der kurzen Zeit Bücher mit so einer inhaltlichen Schwere rauszuhauen, geht irgendwann nicht mehr. Ich merkte, dass es auch noch seine Zeit brauchte um sich zu entwickeln. Ich wollte einfach mal was anderes schreiben, wo es sich mehr aufs Schreibhandwerk konzentriert. Eine Geschichte dicht zu fassen mit bildlichen Beschreibungen. Der Anspruch mit Antonia ist jetzt zwar anders, aber nicht weniger hoch für mich. Als Erwachsener denkt man ja anders. Es verlangt nun auch mit Antonia nach etwas Disziplin, da ich diese Geschichte linear erzähle. Ich musste umdenken, da Antonia natürlich noch ganz anders spricht. Es muss für die Altersgruppe auch verständlich geschrieben sein. Weniger assoziativ.
Sandy: Ich mag sehr, dass du rum experimentierst. Die Texte deiner anderen Bücher lesen sich manches Mal nahezu poetisch. Der Kontrast zu „Toni“ ist natürlich sehr groß. Der Rhythmus ist zackiger und trifft den Ton von Kindern in dem Alter.
Katrin: Ja, das habe ich mir auch gedacht. Bei meinen anderen Büchern muss der Leser mehr Geduld aufbringen und dran bleiben, denn die Entwicklung ist vor allem bei der „Quersumme“ lange im Unklaren. Das kann ich natürlich bei so jungen Lesern nicht. Die wollen gleich eine Bindung haben und sich es nicht erst erarbeiten. Ich mag die Toni auch unheimlich gerne und es macht mir irre viel Spaß mit ihr, aber ich weiß, dass ich danach wieder ein komplexeres Buch schreiben will.
Sandy: Du bist, wie gesagt, selbst Mutter von inzwischen Erwachsenen Kindern. Konnten dir die Erfahrungen und Beobachtungen dabei helfen, Antonias Welt und gewisse Ansichten von ihr, zu formulieren?
Katrin: Ich glaube da einen sehr großen Fundus intus zu haben, durch Beobachtungen im privaten Kreis und natürlich als Mutter. Ich habe viele Nichten und Neffen, und dann gab es immer die Freunde meiner Kinder. Da schnappt man so einige Eigenheiten auf. Es wurde keines meiner Kinder porträtiert, sondern es wurde von mir über die Jahre viel aufgeschnappt, an das ich mich beim Schreiben dann wieder erinnerte.
Sandy: Wie lange arbeitest du denn in der Regel an einem Buch? Gibt es unter Umständen sogar mal „tote Punkte“ beim Schreiben, wo gar nichts mehr geht?
Katrin: Ja, es war tatsächlich beim dritten Buch nach der „Quersumme“, das ich angefangen hatte zu schreiben. Die Geschichte liegt jetzt erstmal auf Eis, da ich Antonia dazwischen schieben wollte. Es gab definitiv den toten Punkt mit der anderen Geschichte, weil ich einfach eine Grenze erreicht hatte.
Ich mache es mir auch wirklich nicht so leicht beim Schreiben. Sogar bei Antonia, obwohl das eine einfachere Geschichte ist. Trotzdem ist für mich jedes Projekt sehr zeitaufwendig. Dadurch dass ich freie Redakteurin bin, habe ich zwar schon Spielraum, allerdings muss auch in dem Bereich das Pensum geschafft werden. Das heißt, ich muss meine Zeitpläne genau takten.
Sandy: Lass uns noch ein bisschen über Toni sprechen. Sie ist ja ganz wild darauf, wirklich jede Schnecke vor der Fußsohle zu retten. Das ist für sich eine sehr herzige, aber auch ungewöhnliche Charaktereigenschaft, weil nicht jedes Kind diesen Beschützerinstinkt hat. Warum ist Toni so ein großer Tierfreund?
Katrin: Zum einen rührt das von meinen Kindern, zum anderen vor allem von meinem Mann und mir. Wir töten einfach keine Tiere, oder Insekten. Das heißt, wir haben es von Anfang an unseren Kindern vermittelt, Tiere jeglicher Größe und Herkunft keinen Schaden zuzufügen. Mein Mann hebt wirklich Würmer vom Gehweg auf und bringt sie in Sicherheit. Und Toni lebt das halt sehr konsequent aus. Sie macht keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier.
Sandy: Ja, sie lässt sich sogar von einem Erwachsenen Menschen angreifen um einen Hund zu beschützen…
Katrin: Ja, das ist aber auch der Instinkt den alle Hundebesitzer haben. Wenn man sich auf ein Tier einlässt, wie Toni, dann kann man das nicht mehr abschütteln. Das wird im nächsten Buch noch komplizierter. *lach*
Sandy: Oha. Aber eine schöne Überleitung. Der zweite Antonia-Band ist in der Entstehung und erscheint nächstes Jahr im Herbst. Kannst du schon etwas zu neuen Abenteuern sagen, ohne unbedingt zu Spoilern?
Katrin: Dieses Mal wird es sehr viel mehr in die Themen Schule und Alltag von Toni, ihren Freunden und Geschwistern gehen. Die Freundin Paulina verändert sich nach wie vor in einem schnelleren Tempo als Toni. Speziell wenn es ums Thema Jungs geht. Und natürlich ist Toni immer noch der Meinung, dass ohne sie nix geht.
Sandy: Das Thema Familie haben wirklich alle deine Bücher gemein. Egal in welcher Form. Natürlich ist das fürs Kinder- und Jugendbuch oft ein gesetzter Fokus und sehr logisch. Aber wieso ist das bei dir so gezielt?
Katrin: Zum einen ist es natürlich nahe liegend, weil für Kinder die Familie prägend ist. Zum anderen ist es aber auch so, dass je älter man wird, sich alles immer wieder auf die Familie runterrechnen lässt. Wie verhalte ich mich in Beziehungen, Partnerschaften, im Job? Das was man in der Kindheit erlebt, trägt man später so manches Mal auch in verschiedene Beziehungen. Und das sich beim Lesen eine Form von Sensibilisierung entwickelt. Was ich bei Kindern immer so bewundere, ist diese Widerstandskraft. Wenn etwas in der Familie nicht rund läuft – z.B. durch Krankheit, Scheidung, Schule -, dann funktionieren sie oftmals überraschenderweise sehr lang. Auf der anderen Seite darf man nicht unterschätzen, dass dies nur bedingt zu bewältigen ist. Irgendwann hat ein Kind natürlich die Kraft nicht mehr.
Sandy: Schaust du dich denn genauer um bei deinen Kollegen im Kinder- und Jugendbuch? Gibt es Autoren, die du gerne liest, auch wenn du gerade nicht schreibst?
Katrin: Ich lese auch viel und gerne Kinder- und Jugendbuch, wenn ich nicht gerade selbst schreibe. Eigentlich verlasse ich mich dann auch sehr auf die Empfehlungen in meiner Lieblingsbuchhandlung. Und ich lese auch viel, was bei Magellan erscheint.
Sandy: Ich lese mich natürlich auch gerne durch das Programm vom Magellan Verlag. „Emmy & Oliver“ hat mich unter Anderem unheimlich begeistern können. Ohne die Autoren unter einander auszustechen, kannst du uns ein Buch nennen, welches dir zuletzt sehr gefallen hat?
Katrin: Oh, da gibt es so einige. Robin Benways Buch gefiel mir auch sehr gut. Die Stimmung und Figuren waren außergewöhnlich. Zuletzt habe ich „Eine Woche voller Montage“ von Jessica Brody gelesen und war zunächst etwas skeptisch, ob es zu sehr in die „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Schiene abdriftet. Aber dem war dann überhaupt nicht so. Ich habe es sehr genossen zu lesen. Es ist pfiffig und so lustig.
Sandy: Ja, und die Songtitel an jedem Kapitel trugen nochmal zur Stimmung bei. Hatte beim Lesen permanent einen anderen Ohrwurm…
Katrin: Oh ja, das war super süß! Eine sehr schöne Idee von der Autorin. Lizzie Carbon mag ich übrigens auch gern, weil sie auch so eine tolle Figur ist. „Halbe Helden“ mochte ich wahnsinnig gerne und „Perfekt ist jetzt“ auch…
Sandy: Ja, echt?! Da war ich etwas kritischer, denn die Hauptfigur mochte ich nicht sonderlich gern.
Katrin: Nein, er ist überhaupt nicht sympathisch. So jemandem möchte man im Leben nicht wirklich begegnen. Aber das Buch hat mich trotzdem mitgerissen. Die Figur ist interessant und es zeigt mal ein anderes Ende.
Sandy: Nun befinden wir uns hier auf der Buchmesse. Du bist gerade erst angekommen. Wie gestaltest du dir die Zeit, abseits von den eigenen Terminen? Kannst du dir die Zeit zum Erkunden nehmen?
Katrin: In der Regel treffe ich mich gern mit Kollegen, Blogger *lach* und nachher treffe ich auch eine Autorin, die ich bisher nur über Facebook kenne. Ansonsten schlendere ich auch einfach rum und schaue, was mir gerade ins Auge springt. Auch Stände ablaufen und Neuerscheinungen erkunden tue ich, aber eher mit einem schweifenden Blick. Sonst schaffe ich nix.
Sandy: Die letzten beiden Punkte sind keine Fragen. Ich möchte , dass du mir zunächst deine Arbeit als Autorin in drei Worte beschreibst.
Katrin: Oh Mann…ich würde sagen, vor allem >denken<. Denken, denken, schreiben. Ich habe das Gefühl, ich muss so irre viel nachdenken und zwar über jeden einzelnen Satz. Also, viiiiiel denken und dann kommt irgendwann mal das Schreiben.
Sandy: So ganz spontan nachgefragt: Machst du denn viel Korrekturarbeit?
Katrin: Ja. Ich schreibe einmal eine Szene komplett durch, überarbeite die dann bestimmt fünf bis sechs Mal. Oft gibt es am Anfang nur den Dialog und dann baue ich den Raum drum herum auf. Der Dialog schreibt sich bei mir von ganz allein, aber dann kommt die harte Arbeit. Ich bin da sehr akustisch orientiert. Da kommt schon die Arbeit am Hörspiel bei durch.
Sandy: Und jetzt möchte ich bitte drei Worte, die „Antonia rettet die Welt“ bewerben könnten!
Katrin: Antonia ist ein total ungebrochenes, mutiges und zutiefst liebenswürdiges Wesen. Und sie treibt einen auch in den Wahnsinn. *lach*
Sandy: Ja, das war es schon mit unserem Pläuschchen. Hat mir großen Spaß gemacht. Ich danke dir sehr!
Katrin: Das waren tolle Fragen. Also, ganz lieben Dank auch an dich!
Die Autorin…
Katrin Zipse wurde 1964 in Stuttgart geboren und lebt als Autorin und Hörfunkredakteurin in Baden-Baden. Sie studierte Theaterwissenschaft und Deutsche Philologie an der FU Berlin und arbeitete mehrere Jahre am Theater. Seit 1993 ist sie Redakteurin und Hörspieldramaturgin beim SWR. 1997 erhielt sie den Kurt-Magnus-Preis für ihre Hörfunkarbeit, 2014 den Thaddäus Troll Preis für ihren Debütroman
„Glücksdrachenzeit“. Für „Die Quersumme von Liebe“ verlieh ihr die Kreisstadt Limburg a.d. Lahn 2016 den zweiten Platz beim Hans-im-Glück-Preis.
Bücher von Katrin Zipse…
Von mir rezensiert…
Glücksdrachenzeit | Die Quersumme von Liebe |