Rezension | „Zusammen sind wir Helden“ von Jeff Zentner

Kategorie: Rezensionen, Up(to)date | 4 Nestgeflüster

Autor: Jeff Zentner / 368 Seiten / Übersetzung: Ingo Herzke / Hardcover mit Schutzumschlag / Verlag: Carlsen / OT: The Serpent King / erhältlich bei: Bücher.de, mayersche.de

 

Der Plot…

Ohne seine Gitarre wäre Dills Leben wirklich trostlos: Sein Vater sitzt im Gefängnis, seine gottesfürchtige Mutter ist unglücklich, und nach der Schule soll er im örtlichen Supermarkt arbeiten, um den riesen Schuldenberg abzubezahlen. Aber Dill sehnt sich nach einem anderen Leben, irgendwo da draußen. Seine Träume teilt er mit seinen beiden besten Freunden: Lydia, selbstbewusst und mit dem festen Vorhaben, als studierende Modebloggerin nach New York zu gehen, und Travis, der halb in seiner geliebten Fantasy-Serie lebt. Zusammen, glauben sie, können sie alles schaffen …

 

Mein Resumé…

Es war im letzten Frühjahr, als ich während eines Treffens mit Ramona und ihrer Kollegin Ute, das erste Mal von diesem Jugendbuch hörte. Beide saßen mir gegenüber und kamen aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Sätze wie „Der neue John Green am YA-Himmel, womöglich noch besser.“, „Ein unheimlich stark erzähltes Debüt“, überzeugten mich schnell und ich setzte es auf meine Wunschliste. Doch eines kristallisiert sich erst beim Lesen heraus; der Klappentext bereitet den Leser nicht auf die Atmosphäre vor. Sich einfach ohne großes Wissen in die Handlung fallen und überraschen zu lassen. So auch bei Jeff Zentners Erstlingswerk, das aus den Perspektiven der drei Freunde Dill, Travis und Lydia geschildert wird.

Während eines rührseligen Films in Tränen auszubrechen, ist leicht für mich. Beim Lesen bin ich schon fast abgestumpft und lasse mich nicht mehr so leicht ‚einlullen‘. ZUSAMMEN SIND WIR HELDEN hat mich oft innehalten lassen. Und mit einer sehr schmerzhaften Wende wurde ich von einer Tränenflut überrascht, die auch nach vielen Seiten gar nicht mehr aufhören wollte zu fließen. So intensiv las sich für mich ein Buch seit sehr langer Zeit nicht mehr.
Dabei tat ich mich zu Beginn etwas schwer mit Lydia, die sich mit ihrem erfolgreichen Modeblog für eine ganz große Nummer hält. Träume und Ziele haben, ist überaus wichtig. Vor allem wenn man aus einem kleinen Kaff rauskommen und was erreichen will. Sie scheint aber die Weisheit mit dem Goldlöffel ihrer gut verdienenden Eltern gegessen zu haben und glaubt daher ihren beiden Freunden – vor allem aber Dill – Ratschläge zur Zukunftsplanung geben zu können.
Es waren tatsächlich Travis und Dill, die für mich diese Erzählung zu einem besonderen Leseerlebnis machten. Beide Jungs kommen aus der Unterschicht und kämpfen um ihre eigene kleine Existenz. Dill kommt aus einer gottesfürchtigen Familie, mit einem sogenannten Schlangenprediger als Vater, der seinen Glauben für seine illegalen Machenschaften ausnutzt. Dill zerbricht fast unter der Bürde seines Familiennamens und spürt seine Musik nicht mehr. Travis ist trotz weniger Perspektiven ein hoffnungsvoller Kerl. Er ist der gutherzige Träumer, der Leser, der seiner gewalttätigen Welt am liebsten durch Fantasy-Romane entflieht. Und er brach mir das Herz.
Wir haben es also mit drei sehr unterschiedlichen jungen Menschen zutun, die aber alle die Rolle des »Misfit« von ihrem Umfeld aufgedrückt bekommen haben. Sie geben einander Halt. Für mich fühlten sich diese Figuren äußerst realistisch an. Melancholie, sorglose Naivität, Verzweifelung, Angst und leichte Frotzeleien gaben sich zu gleichen Teilen die Klinke in die Hand.

Jeff Zentner ist seit vielen Jahren als Musiker und Songschreiber aktiv. Diese Gabe macht er sich in seinem ersten Jugendbuch zu nutze. Man fühlt den Beat eines unfertigen Songs in jedem Wort von Dill. So stellte ich mir beim Lesen immer wieder schwermütige Gitarrenmusik vor. Ich fühlte die schwüle Hitze eines Sommers in Tennessee, obwohl ich noch nie dort war. Und ich saß mit den drei Protagonisten an dieser einen Stelle auf der Brücke, mit Blick auf den Tennessee River. Ich lauschte ihren Träumen und heimlichen Plänen.

 

Tacheles…

Stilistisch wunderbar, inhaltlich tiefgründig und fast perfekt. ZUSAMMEN SIND WIR HELDEN ist eine starke, äußerst berührende und schmerzhafte Coming-of-Age Geschichte. Ein Jugendbuch, welches sich für mich nicht wie eines las. Zentner verzichtet auf Luftschlösser aus Zuckerwatte und schickt die drei Außenseiter Dill, Lydia und Travis durch die harte Schule ihres noch sehr jungen Lebens. Jeff Zentner bot mir mit seinem Debüt die bisher angenehmste Überraschung in diesem Jahr.

 

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    4 Nestgeflüster zu “Rezension | „Zusammen sind wir Helden“ von Jeff Zentner”

    1. Joel am 17. April 2018 um 12:02 Uhr

      Sehr berührend! Kommt definitiv auf meine Wunschliste!
      Danke für deine Rezension.:)
      Mit freundlichen Grüßen
      Joel von Büchervergleich.org

      • Sandy am 18. April 2018 um 10:24 Uhr

        Das freut mich natürlich, lieber Joel. Dann hoffe ich, dass sich der Titel bald zu dir nach Hause verirrt.

        Im übrigen kannst du deine Website-Url beim Kommentieren in eines der drei Felder einpflegen (in dem Bereich, wo auch dein Name reinkommt). Dann brauch der nicht in den Texteil rein. ;)

        LG,
        Sandy

    2. Nicci Trallafitti am 16. April 2018 um 02:33 Uhr

      Hey!
      Eine wirklich tolle Rezension, vor allem deinem Fazit kann ich mich nur anschließen.
      Ich hätte niemals mit so viel Tiefgang gerechnet, auch hat die Geschichte mich langfristig beeindruckt, sodass ich immer mal wieder an manche Aspekte und Situationen zurück denke.

      Liebe Grüße,
      Nicci

      • Sandy am 16. April 2018 um 20:18 Uhr

        Hi Nicci,
        ganz lieben Dank für die netten Worte!
        Mit dem ‚Ton‘ der Geschichte habe ich auch nicht gerechnet. Es geht zeitweise sehr düster zu. Das war überraschend, allerdings gefiel mir das auch mit am meisten.
        Die Figuren und Erlebnisse begleiten einen wirklich noch länger. Da gebe ich dir Recht.

        Liebste Grüße,
        Sandy

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