[Review mal anders] Angezwitschert – „Ghost“ und „Coole Nummer – Als ich der Grösste war“ von Jason Reynolds

Kategorie: Review mal anders, Rezensionen, Up(to)date | 0 Nestgeflüster
Manchmal fehlen einem, selbst bei tollen Büchern, genügend Worte für eine umfassende Rezension. Diese Romane finden in meiner Unterkategorie >[Review mal anders] Angezwitschert…< doch noch ihren Platz.

 

GHOST | Jason Reynolds | Seiten: 208 | Genre: Fiktion, Coming-of-Age | EVT: 30.08.2018 | Sprache: Englisch | Übersetzung erschienen: bei DTV Verlag | Meine Wertung: 4,25*

 

Inhalt…

Rennen, das kann GHOST, der eigentlich Castle Cranshaw heißt, wie der Teufel: davonrennen. Denn es gab eine Nacht in seinem Leben, in der es genau darauf ankam, in der er um sein Leben rannte. In der Schule läuft es dagegen nur so la la für GHOST. Wer ihm dumm kommt, kriegt eine gescheuert. Doch dann wird er mehr durch Zufall Mitglied in einer Laufmannschaft, und sein Leben steht Kopf. Trainer Brody nimmt ihn unter seine Fittiche, und das ganze Team steht an seiner Seite. Es geht nicht mehr ums Davonrennen, sondern darum, das Ziel immer vor Augen zu haben. Der Startschuss ist gefallen. Doch wird GHOST diese Chance wirklich für sich nutzen?

 

Im Großen und Ganzen?!

Durch das Jugendbuch (ab Mittelstufen-Alter) GHOST habe ich mich zum ersten Mal mit der Arbeit des US-Amerikaners Jason Reynolds befasst. Jasons Worte vibrieren von der ersten Seite mit einer Dringlichkeit, Authentizität und Energie, die den Leser absolut mitreißt. Das Leben läuft für seinen Protagonisten Ghost nicht so super toll – seine Mitschüler mobben ihn, weil er arm ist und er trägt das Gewicht des Verrats seines Vaters auf seinen noch viel zu schmalen Schultern. Dennoch ist er nie zu einer tragischen Figur für mich geworden. Mit »Ghost« zeichnete der Autor keine Karikatur eines Schulkindes, das mit einer alleinerziehenden Mutter aufwächst: Jason Reynolds verkörpert diesen Jungen von innen heraus, lässt ihn atmen und zum Leben erwachen. Und »Ghost« sprüht wirklich nur so vor Leben und Neugierde.

Obwohl ihn der Ausraster seines Vaters – was wiederum zu eine langjährigen Inhaftierung führte – nach Jahren noch in den Knochen steckt, merkt man, dass er sich nach einer Vaterfigur sehnt. Diese findet er gewissermaßen in seinem Trainer, der sein Talent entdeckt und dem etwas zögernden Jungen fördert. Und bald entdeckt »Ghost«, dass  er nicht der einzige in der Mannschaft mit einer bewegenden Geschichte ist.
Besonders positiv fiel mir beim Auftakt der Vierteiligen Track-Serie die Erzählform auf. So lässt der Autor seinen tapferen Läufer direkt zum Leser sprechen. Das Buch liest sich also wie ein direkter Dialog mit »Ghost«.

Jason Reynolds gibt allen Figuren eine sehr klare Stimme. Ich freue mich darauf, die anderen Mitglieder aus der Laufmannschaft näher kennenzulernen.

 

 

COOLE NUMMER: ALS ICH DER GRÖSSTE WAR | Jason Reynolds | Seiten: 260 | Übersetzer: Klaus Fritz | Genre: Fiktion, Coming-of-Age | EVT: 21.08.2015 | Verlag: DTV| Sprache: Deutsch | Meine Wertung: 4,5*

 

Inhalt…

Ali hat sich fast sechzehn Jahre von allem Ärger und den miesen Typen in seiner Gegend, Brooklyn, ferngehalten. Schon aus Respekt vor seiner Mutter, die, was den Umgang ihres Sohnes betrifft, die Null-Toleranz-Politik vertritt. Dann ergibt sich die Gelegenheit, mit seinem Freund Noodles und dessen Bruder Needles nicht nur so richtig cool zu sein, sondern auch mit den großen Jungs zu spielen. Gefährlich, wenn man selbst jedem Streit aus dem Weg geht, der Freund nur eine Riesenklappe, aber sonst nicht viel hat, und der dritte durch sein Tourette-Syndrom unberechenbar ist, sobald er sein Strickzeug nicht parat hat.

 

Im Großen und Ganzen?!

Zu Beginn des Buches, ging ich davon aus, dass die Geschichte um den jungen Ali geprägt wird von Gewalt, Armut und destruktiven Entscheidungen. Und obwohl dies auch Teil der Realität der Menschen in Alis Nachbarschaft und Leben ist, so enthält die Erzählung einen ganz anderen Kern. Loyalität und Freundschaft, zum Beispiel, werden über alles andere geschrieben.

Reynolds schafft nuancierte Charaktere, die weder gut noch schlecht sind. Alis bester Freund Noodles tut cool und hat eine harte Schale, um seinen inneren Freak zu verstecken, der widerum leidenschaftlich gern Comicbuchcharaktere wie den Hulk und Spiderman perfekt zeichnet. Sein Bruder Needles leidet am Tourette-Syndrom, und während wir sein Innenleben nicht kennen lernen, erfahren wir, dass ihn das Stricken beruhigt und wie andere in seiner Umgebung auf ihn reagieren. Oder Jazz, Alis kleine Schwester, die genau wie ihre Mutter einen scharfen Verstand hat. Die Geschichte wird aus Alis Sichtweise erzählt. Er ist ein Junge mit einem gesunden Menschenverstand und kritischem Denken. Zugleich versprüht er die für Jugendliche typischen Zweifel und Unreife.

Es ist dieses Gleichgewicht, weshalb ich quasi durch die Handlung geflogen bin. Im Gegensatz zu vielen Jugendbuch Romanen mit Gewaltdarstellungen, müssen die Charaktere in ALS ICH DER GRÖSSTE WAR auf einer persönlichen, nicht geopolitischen Ebene gesehen werden. Ali muss die Welt nicht vor rücksichtslosen Diktatoren oder einem Lord Voldemort retten. Er rettet schlichtweg einen Freund. Und wie das oft so ist, nach der getroffenen Entscheidung für jemanden/etwas zu kämpfen, müssen einige Figuren mit den Konsequenzen leben.

Ein Vielleser wird die nächsten Entwicklungen in der Handlung erraten können, aber es ist wirklich nicht die Handlung, die zählt. Es sind die facettenreichen Figuren. Und die berührten mich. Am Ende wollte ich mich auf die Treppe zu Ali, Noodles und Needles setzen währen sie über Mädchen redeten, Raps erfanden und dabei Jazz‘ Abendessen verschlangen.

 

Fazit zu beiden Büchern

Es ist immer wieder etwas besonderes und ein bisschen aufregend, wenn man einen neuen Autor für sich entdeckt. Obgleich Jason Reynolds schon mehrere Bücher veröffentlicht hat, hierzulande bei der Zielgruppe äußerst beliebt ist und in seiner Heimat fast schon Superstar-Status hat, beschäftige ich mich erst seit kurzem mit seiner Arbeit. Reynolds ist ein wichtiges Sprachrohr für die jungen Leser und darf auch vom älteren Semester mehr Beachtung bekommen. Zwischen all der Coolness steckt ein Mensch, der seinen Lesern etwas mitgeben möchte. Und das tut er eindrucksvoll.

 

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