Rezension | „Unsere Stimmen bei Nacht“ von Franziska Fischer

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Autorin: Franziska Fischer / 286 Seiten / Gebunden (mit Motiv hochgeprägt) / Verlag: Dumont / auch erhältlich bei: geniallokal.deThalia.de

 

 

 

Der Plot…

In einer Villa im Berliner Südwesten finden sich sechs Menschen zu einer ungewöhnlichen WG zusammen – aus Geldmangel, aus Einsamkeit, auf der Suche nach einer raschen Lösung. Die fünfundfünzigjährige Gloria kocht für alle – und sie kocht hervorragend –, nur ihr griesgrämiger Ehemann Herbert war von vornherein dagegen, dass sich andere Menschen in ihrem Heim einnisten. Als Erstes Chemieprofessor Gregor mit seiner Tochter Alissa, die permanent schlecht gelaunt unter der Trennung ihrer Eltern leidet. Wenigstens reißt sich Alissa zusammen, wenn sie sich in Herberts hauseigenem Antiquariat aufhält. Dann ist da noch Jay, ein Student, der sich dagegen sträubt, die Erwartungen seiner Familie zu erfüllen, und bemüht ist, Herbert den Internetversandhandel nahezubringen.
Schließlich zieht Lou-Ann, genannt Lou, in die Villa ein. Mit Mitte dreißig hätte sie längst irgendwo ankommen müssen, doch stattdessen ist in ihrem Leben alles ungeplant und unfertig. Vielleicht ist sie gerade deshalb diejenige, die all die um sich selbst kreiselnden Gestalten zusammenbringt. Etwas verschiebt sich in dem Gefüge. Die Zweckgemeinschaft wird zur Wahlfamilie, aber das Konstrukt wirkt zerbrechlich.

 

 

 

Mein Resumé…

Zu Beginn dieses Jahres hörte ich Franziska Fischers Roman „In den Wäldern der Bieber“ als Hörbuch und war sehr angetan vom ruhigen Erzählstil der Autorin. Deshalb stand für mich außer Frage, dass ich auch ihren neuen Roman UNSERE STIMMEN BEI NACHT lesen möchte.

Dieses Mal entführt die Autorin den Leser und ihre Figuren in eine alte Großstadt-Villa nach Berlin. Was von Beginn an wieder hervorsticht in Franziska Fischers neuem Buch, ist der Fokus auf zwischenmenschliche Beziehungen. Und die sind äußerst spannend, denn jede Figur unterscheidet sich sehr voneinander. Jede:n umtreiben andere Gefühle und Gedanken. Der Altersunterschied und die Herkunft scheinen zunächst eine Hürde. Auch sehr prägnant ist wieder die leise Erzählform. Die Perspektivenerzählung schließt alle Figuren ein und springt Absatz- bzw. Satzweise, was jedoch sehr harmonisch gelöst wurde. Erstaunlicherweise kam ich dabei gar nicht durcheinander [wie man es vermuten könnte]. Dadurch kam ich als Leser den Figuren sehr nahe, nahm unbemerkt Anteil an den Gesprächen und die alte Villa wurde für kurze Zeit auch zu meinem Zuhause. 

Die Handlung beginnt im tristen und grauen Berliner Winter und zieht sich fortan über die Jahreszeiten hinweg, bis man wieder im Herbst des Folgejahres landet. Mal vergehen nur Tage, dann wiederum Wochen. Ich fühlte mich konstant als unsichtbarer Besucher, wurde Teil dieser zerbrechlichen Wohngemeinschaft. Jede:r von ihnen wuchs mir mit seiner ganz eigenen Gedankenwelt ans Herz, manche Figuren blieben dabei etwas distanzierter, was jedoch die Persönlichkeit dieser noch stimmiger werden ließ. Die Stimmung tropft mal vor Einsamkeit, Melancholie, dann wiederum werden Momente voller Licht und Glück in das große alte Haus gelassen. Umso mehr Zeit vergeht, desto wärmer werden die zunächst kalten Zimmer. Franziska Fischer zeigt, was ein Ort durch Menschen werden kann. Und wie Menschen aufeinander einwirken können.

Es kommt nicht allzu häufig vor, dass ich mir wünsche, noch länger in einem Buch verweilen zu können. UNSERE STIMMEN BEI NACHT jedoch ist so eine Geschichte. Der Abschied fühlte sich daher wehmütig an. Gerne hätte ich Gloria, Herbert, Jay, Lou-Ann, Alissa und Herbert noch länger begleitet.

 

 

„Sie waren eine merkwürdige Gruppe an Menschen. Alle zusammen in dieses Haus geschüttet, und manchmal war es so, als gäbe es keine Außenwelt mehr, nur sie, sechs Personen, die einander genug sein mussten…“

 

 

 

Tacheles…

UNSERE STIMMEN BEI NACHT entfaltet mit seiner einfachen Sprache eine Geschichte über Einsamkeit und Zusammensein. Man fühlt sich beim Lesen wie ein Beobachter, wird ein unsichtbarer Teil dieser ungewöhnlichen WG. Franziska Fischer führt mit viel Fingerspitzengefühl durch die Handlung und Figuren. Eine eher leise Geschichte, mit einer großen Wirkkraft. Wunderbar dicht, gefühlvoll und nachhallend erzählt.

 

 

 

 


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