Rezension | „Liebe und Verderben“ von Kristin Hannah

Kategorie: Rezensionen, Up(to)date | 2 Nestgeflüster

Autorin: Kristin Hannah / 591 Seiten / Übersetzung: Gabriele Weber-Jarić / Gebundenes Hardcover mit Schutzumschlag / Verlag: Rütten & Loening / erhältlich bei: Bücher.demayersche.de

 

Der Plot…

1974: Als Lenora „Leni“ Allbright mit ihren Eltern nach Alaska zieht, ist die Familie voller Hoffnung, das Trauma des Krieges, das der Vater in Vietnam davongetragen hat, hinter sich zu lassen. In Matthew Walker, dem Sohn der Nachbarn, findet Leni einen engen Freund. Doch auf die Schönheit des Sommers in Alaska folgt unweigerlich die Finsternis des Winters und Kälte. Je länger diese andauert, desto weniger ist Lenis Vater imstande, die in ihm wohnenden Dämonen zu bändigen. Als dann eine Tragödie über die Walkers hereinbricht, werden Leni und Matthew voneinander getrennt. Jahre später treffen sie sich wieder und aus ihrer innigen Freundschaft entwickelt sich mehr. Doch schon bald müssen die beiden um ihre Liebe kämpfen, denn Lenis Vater will in seinem Wahn die Verbindung zerstören – bis die jungen Liebenden eines Tages versuchen auszubrechen…

 

 

Mein Resumé…

Meine Erwartungen nach „Die Nachtigall“ waren zugegebenermaßen ziemlich hoch. Aber wieder wurde ich nicht enttäuscht. Mit ihrem neuen und mittlerweile 23. (!) Roman LIEBE UND VERDERBEN wurde ich von Kristin Hannah in einen überwältigenden und emotionalen Strudel gerissen.

In dieser Epochen übergreifenden Saga um die Familie Allbright beginnt für den Leser und Lenora „Leni“ Allbright im Jahr 1974 ein Abenteuer, das seines Gleichen sucht. Das dreizehnjährige Mädchen und ihre Eltern Cora & Ernt leben als Nomaden am Existenzminimum. Seattle schien den Eltern bis vor kurzem vielversprechend für einen weiteren [von vielen] Neuanfang, doch bereits nach kurzer Zeit zeigt sich Ernt Allbright enttäuscht. Das Familienoberhaupt ist seit seiner Rückkehr aus Vietnam nur noch ein Schatten seiner selbst. Zutiefst traumatisiert vom Krieg und gebeutelt von Albträumen, sind sein Temperament und seine Launenhaftigkeit kaum zu ertragen.

Doch als ein Brief aus Alaska sie erreicht, brandet in ihm fanatische Hoffnung auf. Ernt Allbright wurde ein Stück Land und eine Hütte auf Kaneq, Alaska, vermacht. Fluchs brennt Ernt für das unbekannte Fleckchen Erde und möchte dort in Frieden fernab von Kommerz und Schmerz leben. Er verscherbelt das wenige Hab und Gut der Familie für einen schäbigen VW-Bus, der sie nach Alaska bringen soll. Und obwohl die junge Leni voller Angst vor dem Unbekannten ist, so erhofft auch sie sich durch diesen Umzug in die »große Einsamkeit« die Chance auf ein beständiges Zuhause, das ihr so sehr fehlt.

Ohne einen weiteren Plan, geschweige einer vernünftigen Vorbereitung, finden die Allbrights sich nach einem mehrtägigen Roadtrip wieder in der atemberaubenden Wildnis Alaskas. Sie sind verzaubert von der immensen Schönheit Alaskas im Sommer. Die lebhaften Farben, die Geräusche der Tieren, die sie nie zuvor persönlich gesehen hatten und das Gefühl vom Land leben zu können berauscht sie.

Doch beim Anblick der Baracke, die einmal ein Haus war, wird ihnen bewusst gemacht, dass der Winter nicht lange auf sich warten lassen wird. Das viele Menschen nicht einmal einen Winter in Alaska überleben, lässt vor allem Leni und ihre Mutter ängstlich aufhorchen. Mit wenig Geld und begrenzten Vorräten bereiten sie sich so gut es geht vor. Mit der Hilfe der Harlan Familie und Marge Birdsall – alias Large Marge – beginnen Leni und ihre Eltern das katastrophal verwilderte Land in Angriff zu nehmen.

Mit den ersten dunklen Tagen nach einem viel zu kurzen wunderschönen Sommer, bricht die überaus harte Realität über die Familie herein. Ernt Allbrights alte Dämonen beginnen schon bald lauter und aggressiver als jemals zuvor zu wüten. Dies bekommt vor allem Cora, Lenis Mutter immer wieder zu spüren. Lenis Angst wächst, denn schon bald wird ihr klar, dass der größte Feind nicht die wilden Tiere und unbezähmbare Natur sind, sondern das Monster mit dem sie und ihre Mutter die kleine Hütte teilen.

 

„Es gab keinen Ausweg, Mom würde Dad nicht verlassen, und Leni würde ihre Mutter nicht verlassen.
Sie waren einander auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.“

 

LIEBE UND VERDERBEN erzählt die Geschichte vom nackten Überleben. Die Rede ist dabei nicht nur vom Überleben in der Wildnis Alaskas, sondern darüber seinen eigenen Ängsten ausgeliefert zu sein, ohne auf Hilfe zu hoffen. Die Geschichte der Allbrights zeigt, wie weit Liebe gehen kann und wann es zum emotionalen und körperlichen Zerfall kommt, der alles zerstören kann. Es geht um Mut und Freundschaft, wahrer Liebe und der unermüdliche Zusammenhalt zwischen Mutter und Kind.

Man begleitet als Leser die junge Leni im Zeitraum von 1974 bis in das Jahr 2009. Bei ihren Beschreibungen über die familiären und sozialen Zustände, schauderte es mich unentwegt. Die buchstäblich obsessive Liebe und krampfige Abhängigkeit ihrer Eltern füreinander, beobachtet nicht nur das junge Mädchen mit wachsender Sorge und Angst. Man hört nie auf mit ihr zu fühlen und sich um sie zu sorgen.

Kristin Hannah zeichnet ihre Protagonistin, trotz all der Aggressivität im direkten Umfeld, als eine heranwachsende hoffnungsvolle Frau. Durch ihre tiefe Freundschaft und die sich über die Jahre entwickelnden Gefühle für Matthew Walker, wagt sie gar heimlich von einem Leben fernab Kaneqs zu träumen.

Die Autorin flösste ihren Figuren die besten und – im Fall von Ernt Allbright – die schlimmsten Eigenschaften ein. Was mir immer wieder sehr nahe ging, war der unermüdliche Zuspruch der Nachbarn. Vor allem Large Marge ist wahrlich eine Naturgewalt, die Klauen und Zähne für Leni und ihre Mutter gegen den brutalen Vater einsetzt. Auch der Respekt für das wunderschöne Land und die Bewohner Alaskas ist sehr verwurzelt in der Geschichte. Man spürt durch die bildgewaltigen Schilderungen, die Verbindung der Autorin zum Setting.

Den Weg der Allbright Frauen zu begleiten, hat mich sehr erschüttert. Häusliche Gewalt wurde mir in dem Ausmaß noch nie so nahe durch ein Buch vermittelt. Die Autorin lässt fast keine Katastrophe und Hiobsbotschaft aus, um den Leser in ein emotionales Wrack zu verwandeln.

 

Tacheles…

LIEBE UND VERDERBEN ist ein wundervolles & grauenhaftes, fesselndes sowie berührendes und überaus dramatisches Familien-Epos. Kristin Hannah bricht in der Wildnis Alaskas nicht nur den Allbrights und Walkers die Herzen, sondern auch dem Leser. Was für ein gewaltiger und wichtiger Roman. Und daher mit großem Abstand mein absolutes Highlight in diesem Jahr!

 

Mehr von Kristin Hannah:

Mein Buchtipp zu DIE NACHTIGALL

Autoren-Homepage 

 

*Rezensionsexemplar – Dieses Buch wurde mir vom Verlag gegen den Austausch einer unabhängigen Beurteilung zugesandt. Für dieses Vertrauen bedanke ich mich sehr. Die Rezension spiegelt meine freie Meinung wieder.

 

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    2 Nestgeflüster zu “Rezension | „Liebe und Verderben“ von Kristin Hannah”

    1. Martinas Buchwelten am 25. September 2018 um 14:39 Uhr

      Eine tolle Rezi!
      Ich habe das Buch auch erst vor kurzem verschlungen und bin in ein richtiges gefühlschaos gestürzt. Nur das Ende war mir ein bisschen zu süß…wobei nach alldem, was leni hier passiert man darauf hofft, dass endlich etwas Gutes geschieht!

      Liebe Grüße
      Martina

      • Sandy am 26. September 2018 um 08:42 Uhr

        Dankeschön für die netten Worte, liebe Martina!
        Gefühlschaos trifft es wirklich ganz gut. Mir gefiel das Ende sehr. Ich glaube, nach all den Geschehnissen hat sie ein bisschen Ruhe verdient.

        Liebste Grüße
        Sandy

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