Autorin: Nic Stone / 256 Seiten / Übersetzung: Karsten Singelmann / Hardcover mit Schutzumschlag / Verlag: Rowohlt Rotfuchs / OT: Dear Martin / auch erhältlich bei: Bücher.de, mayersche.de
Der Plot…
Justyce McAllister ist einer der Besten seiner Klasse, Captain des Debattierclubs und Anwärter auf einen Studienplatz in Yale – doch all das interessiert den Polizisten, der Justyce die Handschellen umlegt, nur wenig. Der Grund für seine Verhaftung: Justyce ist schwarz. Und er lebt in den USA im Jahr 2017.
Mit Briefen an sein großes Vorbild Martin Luther King Jr. versucht Justyce, dem alltäglichen Rassismus etwas entgegenzusetzen. Und dann ist da noch Sarah-Jane, seine kluge, schöne — und weiße – Debattierpartnerin. Als jedoch die Gewalt mehr und mehr über ihn hereinschlägt, scheint es, als ob selbst Martin Luther King Jr. keine Antwort mehr für Justyce bereithält.
Mein Resumé…
Der Vergleich zu Nic Stones Debüt und „The Hate U Give“ ist unvermeidlich. Beide Figuren sehen sich durch die Waffengewalt eines Polizisten einer schrecklichen Erfahrung gegenüber stehen und müssen folglich auch noch mit dem Medienrummel fertig werden. Und beide Bücher wurden im selben Jahr, 2017, veröffentlicht.
Beide Geschichten werden jedoch auf sehr unterschiedliche Weise erzählt, und die Charaktere haben keine ähnlichen Persönlichkeitsmerkmale. DEAR MARTIN ist deutlich kürzer, wird aus der Perspektive des Jungen Justyce geschildert und untersucht, durch seine Briefe, die Lehren des berühmten Martin Luther King.
Justyce ist ein siebzehnjähriger Junge, der versucht zu verstehen, wo er in seinem eigenen Leben steht, was die Meinung über Rassenungleichheiten ist, was es für ihn bedeutet, schwarz in dieser ‚weißen Vorherrschaftswelt‘ zu sein. Umgeben ist er von diesen weißen „Ich sehe keine Farbe“ Jungs, die denken, dass Rassenungleichheiten nicht mehr existieren und nicht einmal erkennen können, dass sie von Privilegien profitieren.
Stones Erstlingswerk ist weitaus weniger untermalt von der Rap/Pop-Kultur und geht bei weitem nicht so sehr ins Detail, wie Angie Thomas es in THUG tat.
DEAR MARTIN wird durch diverse Formate erzählt. Es gibt die normale Prosa, welche durch Protagonist Justyce Stimme entspringt, in der sich die meisten Ereignisse ereignen. Desweiteren folgen Dialogformate, entstehend aus dem Debattierclub, in welchem Diskussionen über Rasse und Gleichheit zwischen Justyce und seinen Mitschülern entbrennen. Die Briefe, welche Justyce nach seiner ungerechtfertigten Verhaftung an Martin Luther King schreibt, erstrecken sich in kursiver Form und bildeten für mich das Herzstück des Buches. Immer wieder eingesträut werden auch kurze Medienartikel. Wie stark eine Geschichte aufgelockert werden kann, zeigt sicher Nic Stones herangehensweise.
Abgesehen vom stilistischen Aspekt, interessiert mich die Charakterzeichnung in solchen Erzählungen am meisten. Diese empfand ich für die Buchlänge manchmal als nicht komplett ausgeschöpft. Justyce war sehr gelungen gezeichnet, aber ich hätte auch gerne mehr über seine Mutter erfahren, da sie eine wichtige Rolle im Leben ihres Sohnes spielt. Nebenfiguren wie Manny und SJ fügten sich dagegen ganz wunderbar in die Handlung.
Das Thema Rassenkonflikt und gesellschaftliche Entfremdung hat mich wieder sehr aufgewühlt. Justyce immer größer werdene Verzweiflung beherrschen die Seiten. Seine Hoffnung nach den Lehren ‚des Kings‘ zu streben, werden durch eskalierende Konflikte in seiner Umgebung gefährdet.
Für einen großen [unvorbereiteten] Schocker sorgt Nic Stone dann auch. An welcher Stelle des Buches der kommt, wird natürlich nicht gelüftet.
Tacheles…
Mit ihrem Debüt verteilt Nic Stone ein kräftigen Schlag in die Magengrube. Es waren mehrere Salven, aufgeteilt auf einem nahezu unschuldig schmal wirkenden Buch. DEAR MARTIN ist kraftvoll, intensiv, sehr lehrreich und reflektiert sehr realistisch über die Missstände in unserer Rassenkultur. Ein Buch, welches zu unrecht etwas untergeht.
Meine Review zu THE HATE U GIVE