Review | „Marianengraben“ von Jasmin Schreiber

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Autorin: Jasmin Schreiber / 254 Seiten / Hardcover mit Schutzumschlag / Verlag: Eichborn / erhältlich bei: Bücher.demayersche.de, Geniallokal.de

 

Der Plot…

Paula brauchte früher nicht viel zum Leben: ihre Wohnung, ein bisschen Geld für Essen und ihren kleinen Bruder Tim, den sie mehr liebt als alles auf der Welt. Doch dann geschieht ein schrecklicher Unfall, der sie in eine tiefe Depression stürzt. Immer mehr verliert sie den Boden unter ihren Füßen. Flüchtet sich immer tiefe in ihre Gedankenwelt. Jahre später begegnet sie auf dem Friedhof, einem schrulligen alten Herrn namens Helmut. Mit ihm begibt Paula sich spontan auf eine abenteuerliche Reise, die sie beide zu sich selbst zurückbringt – auf die eine oder andere Weise.

 

Zwischen ‚Diving in the deep End‘ & ‚Ain’t no Mountain higher’…

Der Titel des Buches erregte vor vielen Monaten das erste Mal meine Aufmerksamkeit und dann drückte mir mein Kollege Dominique den Klappentext in die Hand. Von da gab es kein zurück mehr. Paula, Helmut und ich mussten uns kennenlernen.

Beim Lesen machte es dann, wie Helmut so schön sagt, »Zack, Bumm!«. Mit so viel ‚Fabelhaftigkeit‘ habe ich nicht gerechnet. Und damit ziele ich insbesondere auf den Erzählstil von Jasmin Schreiber ab, der sich stellenweise wie eine Fabel liest. In der Ich-Perspektive taucht sie immer wieder in Paulas Kopf, der sich fortwährend in Momente mit ihrem kleinen verstorbenen Bruder Tim wegbeamt.
Mit einer traurigen Lebendigkeit entführte sie mich in Paulas Welt, tief im Meer alter Sehnsüchte. Fasziniert, wissend um dieses unbeschreibbare Ding namens Trauer und dennoch oft lächelnd, begleitete ich sie durch ihren trüben Alltag. In diesem spielt sie ihren Eltern, Freunden und dem Therapeuten eine heile Welt vor. Und dann trifft Paula auf megaGrummel Helmut und seine neurotische Hündin Judy.

 

„Wenn Trauer eine Sprache wäre, hatte ich jetzt zum ersten Mal jemanden getroffen, der sie genau so flüssig sprach wie ich, nur mit einem anderen Dialekt.“

 

Auf dem Friedhof helfen sie sich etwas unfreiwillig aus der Patsche und begeben sich kurz darauf auf einen Trip, der seinesgleichen sucht. Da trifft Topf auf Deckel, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Etwas patzig, meschugge, liebenswert und irgendwie ziemlich lebensmüde sind beide. Mit jedem Kilometerstand von Helmuts dahin kriechenden Wohnmobil erfährt man, was wirklich in ihnen vorgeht.

 

„In mir breitete sich das Nichts aus, es hatte kein Gefühl, kein Aussehen, keinen Geruch, keinen Klang, keinen Geschmack. Ich war ein Menschenkostüm, das Nichts enthielt.“

 

Heulboje Paula und der kautzige Helmut zeigen dem Leser, dass Trauer nicht nur Schwarz ist und das Zeit eben nicht alle Wunden heilt. Das Gefühlskarussell dreht sich immer weiter. Der Schmerz und das Vermissen passen sich lediglich dem menschlichen Organismus an. Man arrangiert sich. Für die, die uns zurückgelassen haben, aber irgendwann auch für sich selbst.

 

„Sie weinen jetzt, stimmt’s?“
„Glaub schon. ‚tschuldigung.“
„Schon okay.“

 

Im Großen und Ganzen…?!

Der Grad zwischen Lachtränen und dicken Klößen im Hals geht in MARIANENGRABEN ineinander über. Jasmin Schreibers Erzählstil liest sich stellenweise wie eine Fabel und ist gespikt mit Wortwitz, Situationskomik und Metaphern. Sie zeichnet ein sehr ehrliches einfühlsames Bild von Trauer, dem damit verbundenen nicht endenden Abschied, Depressionen und dem kläglichen Versuch sich wieder aufzurappeln. Kurz: das Leben in seiner herrlichen sowie hässlichen Pracht. Eindrucksvoll nachhallend, mit etwas Schnörkel, Ecken und Kanten. Sonderbar & sehr wunderschön!

 


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